Ab welchem Alter sollten Kinder schwimmen lernen? Interview mit Stefan Holetz, Bereichsleiter Therme Erding

Laut einer Studie des DLRG (Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft) droht Deutschland ein Land der Nichtschwimmer zu werden: Bereits jedes zweite Kind kann mit zehn Jahren nicht richtig schwimmen. Gründe dafür gibt es viele – doch keiner ist gut genug. Denn die Gefahr ist immer größer als die Ausrede gut sein könnte. Wir sprechen dazu mit Stefan Holetz, Schwimmmeister und Bereichsleiter der größten Therme der Welt, der Therme Erding.

Er verkörpert das Bild des wasserliebenden Sunnyboys – halblange blonde Haare, braungebrannt und zwei unterschiedliche Augen… David Hasselhoff wäre jetzt neidisch…

Sommer 2019

Warum und wie wird man Schwimmmeister oder umgangssprachlich Bademeister?

Schon mein Vater war Schwimmmeister, beziehungsweise geprüfter Meister für Bäderbetriebe, wie es ganz offiziell heißt. Und das offenbar so gut, dass der Bürgermeister meines Heimatortes mich anrief um mich zu fragen ob auch ich diesen Beruf ergreifen möchte. Dafür musste ich eine zweieinhalb-jährige Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe absolvieren, danach eine dreijährige Praxisphase, um dann den Meistertitel zu erwerben.

 

Seit wann machst Du das und was hat sich in diesen Jahren verändert?

Seit 1989. Seitdem hat sich extrem viel verändert. Vor meiner Zeit war es zum Beispiel kein Ausbildungsberuf. Da kam der Dicke aus dem Bauhof oder eben der, der in roten Slips am Besten aussah und hat im Schwimmbad den Bademeister gespielt. Grund für Professionalisierung waren rechtliche Regulierungen und Menschenverstand, dass dies doch ein ernstzunehmender, verantwortungsvoller Beruf ist. Bei den Schwimmenden ist es so, dass früher die Älteren nicht schwimmen konnten – teilweise noch kriegsbedingt. Heutzutage fällt auf, dass wirklich sehr sehr viele Kinder schlichtweg nicht richtig schwimmen können. Das ist beängstigend.

 

Woran liegt das?

Es wird kein Wert mehr auf das Schwimmen gelegt. Sport- und besonders Schwimmunterricht in den Schulen wird gekürzt oder von vornherein nicht angeboten. Kommunen schließen die Bäder oder wandeln sie um in Spaßbäder, wo man planscht statt zu schwimmen. Dadurch erscheint Schwimmen zu können immer nur saisonal, sprich im Sommer, wichtig. Hinzu kommen immer mehr Kinder von Immigranten, die gar keine Chance hatten schwimmen zu lernen.

 

Das Allerwichtigste ist es den Kindern die Angst vor Wasser zu nehmen. Nicht den Respekt, aber die Angst.

 

Wie können Eltern Kinder „schwimmbereit“ machen?

Das Allerwichtigste ist es den Kindern die Angst vor Wasser zu nehmen. Nicht den Respekt, aber die Angst. Früher hieß es oftmals: „Geh nicht ins Tiefe, sonst bist Du tot!“. Man sollte es fördern, wenn Kinder selbstständig – auch mit dem Kopf unter Wasser – das Element entdecken.

 

Bringt Babyschwimmen etwas? Oder die heimische Badewanne?

Alles bringt etwas. Es muss nicht einmal organisiertes Babyschwimmen sein. Wichtig ist einfach eine Vertrautheit zu schaffen. Babies sind noch vom Fruchtwasser her Wasser gewohnt. Sie lieben das. Natürlich eher warmes Waser und nicht gleich die Nordsee. Auch Babies Wasser schlucken und ausspucken lassen. Je früher, desto besser.

 

Wichtig ist darauf zu achten, dass es keine allzu großen Gruppen, sondern maximal zwölf Schwimmschüler sind.

 

Ab welchem Alter ist ein Schwimmkurs sinnvoll? Und worauf sollte man achten, wenn man privat einen Schwimmkurs sucht?

Ab der Einschulung. Zuvor ist es eher planschen – denn mit drei, vier Jahren ist die Konzentration und die Umsetzungsfähigkeit nicht da. Es gibt keine spezielle Zertifizierung zum Schwimmlehrer. Jeder Sportlehrer und sogar die Polizei hat das „gelernt“. Der Lehrer sollte das deutsche Rettungsschwimmerabzeichen in Silber haben. Wichtig ist darauf zu achten, dass es keine allzu großen Gruppen, sondern maximal zwölf Schwimmschüler, sind.

 

Im Sommer geistern immer wieder Geschichten vom „trockenen Ertrinken“ oder auch von Kinder-ansaugenden Hotelpool-Anlagen durch die Medien. Was sind eigentlich die größten Gefahren für Kinder im Wasser?

Mittlerweile müssen Hotelpools in Europa einen bestimmten Sicherheitsstandard erfüllen. Dieser ist relativ hoch. Auf anderen Kontinenten gelten andere Regeln. Beim sehr seltenen trockenem Ertrinken ist es so, dass sich die Lunge aufgrund vermehrten Wasserschluckens mit viel Wasser gefüllt hat. Dennoch taucht das Kind wieder auf. Aber es gibt Anzeichen: Das Kind wäre müde und schlapp, die Lippen verfärben sich. Auch Wellen oder Fehleinschätzungen von Distanzen oder von Können sind gefährlich. Wichtig, egal bei welchen Gefahren: Kleine Kinder dürfen NIEMALS ohne Aufsicht ins Wasser. Auch nicht in Kinderbecken oder in Babypools. Von daher sind die größten Gefahren für Kleinkinder im Wasser Eltern die nicht aufpassen.

 

Welche Schwimmhilfen sind die Besten?

Am besten geeignet sind die mittlerweile auch weitverbreiteten Gürtel mit einzeln herausnehmbaren Styropor-Klötzchen. Schwimmflügel engen den Bewegungsradius extrem ein. Das denkbar Schlechteste ist das Kleinkind auf der Luftmatratze im Meer.

 

Auch die Eltern geben Pipi ins Wasser.

 

Der gemeine Badegast gibt ca. 25 – 30 ml Urin ins Becken. Wie viel Chlor muss hier dagegen halten und wie lange muss ich mein Baby nach einem Besuch im Freibad duschen?

Ja, das ist völlig normal – auch die Eltern geben Pipi ins Wasser. Dagegen und gegen andere „Dinge“ gibt es Chlor. Bei uns in der Therme haben wir zertifiziertes Thermalwasser – mit Chlor. Die Zugabedosis ist nach deutschen Auflagen strengstens reguliert und so dosiert, dass es in keinster Weise der gesunden Haut oder den gesunden Augen schadet. Man muss Kinder nach einem Besuch im Frei- oder Hallenbad nicht duschen – zumindest nicht wegen des Chlors.

 

Was ist denn das Beste an Deinem Beruf?

Es gibt gerade bei uns in der Therme lustige Anrufe: „Haben Sie zufällig ein rotes Bikinihöschen gefunden?“, „Wo haben Sie es denn verloren?“, „Mein Freund hat es in Richtung Liegen aus dem linken Eck des Außenbeckens geworfen“. Das „Warum“ ist schnell klar, aber das „wie ist die denn rausgekommen?“ und das „warum hat der Freund es nicht wiedergeholt?“ sind dann die Fragen… Mein Beruf macht mir sehr viel Freude. Ich liebe den Kontakt zu unseren Besuchern. Denn der Badegast an sich ist fröhlich.

 

Unsere Interviewerin Bettina ist Mama von drei Kindern (2, 6 und 8), verbringt die Sommer gerne im Süden und findet das Thema „Schwimmen“ bei Kindern besonderes wichtig. So war sie gleich dabei, als es darum ging, dass Interview für limango mit dem Experten Stefan Holetz zu führen. Weitere spannende Fragestellungen rund ums Familienleben hinterleuchtet Bettina – von ihren Freunden Betti genannt – kritisch, aber auch mit viel bayerischem Humor auf www.mamiundgoer.de.

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